Donnerstag, 19. August 2010

Cosima von Bonin - Müdes Imperium oder eine schlappe Kunst?











Cosima von Bonin – The Fatigue Empire

Mit der Kölner Künstlerin Cosima von Bonin setzt Yilmaz Dziewior den Auftakt seines Ausstellungsprogramms als neuer Direktor des Kunsthaus Bregenz. Für die Künstlerin ist The Fatigue Empire die bisher umfassendste Einzelausstellung. Über drei Etagen zieht sich das „erschöpfte Imperium“, unterteilt in die drei Sequenzen THE OSWALD- , THE KIPPY- und THE HIPPIE-EMPIRE. Von Bonin ist bekannt für ihr facettenreiches Werk: Performances, Videos, Skulpturen, Objekte, Installationen bezeichnen ebenso wie das Organisieren von Musikevents und Gruppenprojekten die Ganzheit ihres Schaffens. Anfang der neunziger Jahre rückten ihre Arbeiten mit ihren konzeptuellen Bezügen, in ihrer nahen Verwandtschaft zur Minimal Art, die eingehend diskutierten Theorien zur Kontext-Kunst (Peter Weibel) ins Zentrum der Analyse. Die zweifelhaften Machtstrukturen der etablierten „Empires“ in Wirtschaft, Politik, Institutionen, Produktionen etc. wurden kritisch decodiert, aber auch voll Witz und Sinn für Komik ins Auge gefasst.

Auch im KUB kombiniert Bonin Musik, Film und eine Anzahl von Alltagsgegenständen wie Tische, Stühle, Autos, Stoffbilder, Mikrophone oder Kneipp-Wasserbecken und Plüschtiere. Letztere sitzen, lümmeln auf den diversen Objekten und lassen sich dabei vom Sound des Musikers Moritz von Oswald berieseln. Ihre statische Präsenz veranschaulicht Lethargie, Erschöpfung und Depression. Neben dieser Konzentration von Anzeichen für Teilnahmslosigkeit erscheint das im OSWALD-EMPIRE lakonisch nebenher laufende monologisierende Fernsehinterview mit dem Schriftsteller Thomas Bernhard auf den ersten Blick beinahe deplaziert. Es dokumentiert jedoch trefflich seine Sicht von Ich(s) und Außenwelt, die im Solipsismus mündet. Mit Bernhard verbindet die Künstlerin nicht nur die Liebe zur Natur, sondern auch – das Programmheft zitierend – der „kritische und psychologisch aufgeladene Blick auf das eigene (Kunst-)System“. In einem ermüdeten Imperium sind Dekadenz, Vorstellungen von Fiktionen, Lügen oder illusionistisch erzeugte Lebenswelten nur noch schwer zu kaschieren. Eigenverantwortung, Selbstverwirklichung, Erfolgsdruck und der Anspruch auf ein nicht näher definiertes Glück erzeugen in den Akteuren einer globalisierten Gesellschaft oft ein „erschöpftes Selbst“, wie es der Soziologe Alain Ehrenberg vor Jahren glaubhaft definiert hatte. Ein Szenario zur gegenwärtigen Brüchigkeit und Passivität bilden die Skulpturen und Installationen im KIPPY-EMPIRE, unter anderem http://www.i/ (2010), eine Art von Absperrung, um uns von gefährlichen Hindernissen fernzuhalten, oder die Reihe von zusammengenähten, bestickten Stoffbildern mit dem hypokritischen Titel NOTHING (2010); ein Pick-up TOYOTA REARL (2010) und parallel dazu der TOYOTA (2010), allerdings aus fragilem Karton und Klebeband konstruiert. IDLER, LEZZER, TOSSPIECE (2010) okkupiert vollends das Thema: Abgehoben auf einem Hochsitz thront ein weißgetünchter Pinocchio mit überlanger „Lügennase“. Auf der Wiener Luxusmeile Am Graben steht ebenfalls seit Kurzem eine Pinocchio-Skulptur der Künstlerin, als Zeichen für „Krisen und Verlogenheit“, um insbesondere die Geldwirtschaft im öffentlichen Raum zu reflektieren.

Im dritten Imperium, im HIPPIE-EMPIRE, wird die gespielte Fiktion schließlich vom Kontext des „realen Konsums“ abgelöst. Die Künstlerin animiert die Besucher, in der Ausstellung auf „Einkaufstour“ zu gehen und offeriert ihre Editionen.
Die kritische Darstellung und die Haltung gegenüber den allgegenwärtigen Krisen eines erschöpften Imperiums, wie Cosima von Bonin es in ihrer Ausstellung resümierend skizziert, scheinen bewusst ad absurdum geführt. Oder sollte sich die Künstlerin selbst in ihrem eigenen, allzu diskursiven Labyrinth verlieren? Der hemmungslos merkantile Charakter, der das Ende der Ausstellung bestimmt, wirkt wie ein eigendynamischer Antagonismus und projiziert rebellische Hintergedanken in den Raum: Hat die Künstlerin den Widerspruch zwischen Kunst, Kritik, Kommerz und Kapital argumentativ reflektiert – oder produziert und vermarktet sie inzwischen selbst bloß ein müdes gewordenes „Kunst-Label“ nach den Regeln des erschöpften Imperiums?

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